Zuchttheorie und -praxis

Wie funktioniert Genetik?

Nun wird es wirklich wissenschaftlich und wer gerne etwas zum Nachschlagen hat, dem sei folgendes Lehrbuch empfohlen: A. Willam und H. Simianer: Tierzucht – Grundwissen Bachelor. Verlag Eugen Ulmer, Stuttgart, UTB 3526; 2011

Molekulare Grundlage für die Vererbung ist die in den Chromosomen des Zellkerns der Säugetiere enthaltene DNA (Desoxyribonukleinsäure). Die DNA ist sehr langkettig und besteht in ihren Einzelbausteinen jeweils aus dem Zucker Desoxyribose, einem Phosphatrest, sowie den organischen Basen Adenin, Cytosin, Guanin und Thymin. Die Abfolge der Basen in den auf der DNA angeordneten Genen bildet den genetischen Code. Gene sind dabei Abschnitte der DNA, welche „Baupläne“ für biologisch aktive Proteine enthalten.

Beim Säugetier liegen die Chromosomen paarweise vor (doppelter Chromosomensatz). Jeweils nur ein einfacher Chromosomensatz wird aber mit dem Spermium bzw. der Eizelle weitergegeben, so dass die befruchtete Eizelle wiederum einen doppelten Chromosomensatz enthält.

Bei jedem Individuum einer Spezies sind grundsätzlich dieselben Gene auf der DNA zu finden; allerdings kommt es zu Varianten (Allelen), man sagt, das Gen ist „polymorph“. Diese Varianten können auch bei einem einzelnen Individuum beobachtet werden, wenn es auf seinem doppelten Chromosomensatz beide Varianten trägt. In diesem Fall ist das Individuum heterozygot. Wenn es an beiden DNA-Abschnitten dieselbe Variante trägt, so ist es homozygot. Andere Individuen derselben Population können aber durchaus homozygot für ein anderes Allel sein.

Die Genetik, und mit ihr auch die Tierzuchtwissenschaft, macht es sich nun häufig zur Aufgabe, sichtbare Eigenschaften von Individuen (Phänotyp) auf die zugrundeliegenden molekularen Ursachen zurückzuführen. Dabei spricht man von qualitativen Merkmalen, wenn der Phänotyp nur in wenigen genau trennbaren „Stufen“ vorkommt (z.B. die Fellfarben schwarz und rot) und von quantitativen Merkmalen, wenn der beobachtete (Mess-)Wert kontinuierlich in der Population variiert (z.B. Tägliche Zunahme, Milchleistung). Grundsätzlich gilt, dass qualitative Merkmale meist nur von wenigen oder sogar nur von einem einzigen Gen mit seinen Varianten bestimmt werden. Im Idealfall gilt bei qualitativen Merkmalen: 1 Genvariante = 1 bestimmtes Protein = 1 Phänotyp (z.B. Fellfarbe).

Wichtig ist aber festzuhalten, dass insbesondere bei der Ausprägung des Phänotyps quantitativer Merkmale die Umwelt eine stark modellierende Wirkung einnimmt, eine Bobachtung also nur sehr schwer direkt auf eine Genvariante zurückgeführt werden kann.

In jedem Fall sucht die wissenschaftliche Genetik immer nach einem kausal verantwortlichen Polymorphismus auf der molekularen Ebene, meistens in Form des Vorhandenseins mehrerer Varianten von Basen an einem bestimmten Punkt der DNA. Dies wird als Single Nucleotide Polymorphismus (SNP) bezeichnet.

Der „Hauptgewinn“ für das Projekt wäre letztlich die Identifikation von SNP, welche die Farbzeichnung und Markierung der White Galloways steuern.

Die Farbvererbung

Bei der Farbzeichnung von Säugetieren ist eine ganze Reihe von Genen beteiligt. Beispielsweise kennt man das MC1R- oder Rotfaktor-Gen, das für die Grundfarben Rot oder Schwarz verantwortlich ist. Hier ist bekannt, dass nicht alle Facetten der Vererbung auf die zwei Varianten Rot oder Schwarz zu reduzieren sind. Beispielsweise sind so genannte „Umfärber“ und Stichelhaare weitere Varianten dieses Gens. Um solchen Phänomenen auf die Spur zu kommen, muss auf einen großen Stichprobenumfang geachtet werden.

Daneben existieren Gene, die als „Farbverdünner„ wirken, wieder andere sind bei der Vererbung von Flecken und Mustern beteiligt. Sogar Umwelteinflüsse können sich auf die Farbzeichnung auswirken.

Bei den verschiedenen Rinderrassen ist der Erkenntnisstand zur Vererbung der Farbzeichnung unterschiedlich. Insgesamt kann allerdings gesagt werden, dass beim Rind die Zahl der identifizierten Gene, die an der Farbvererbung beteiligt sind, klein ist.

Hypothesen

Wenn man sich den Phänomenen der Farbvererbung nähert, so ist es nützlich, das „Gesamtproblem“ in einzelne Teile aufzuteilen, da angenommen werden kann, dass an einem derart komplexem Phänotyp wie den „perfekt“ gezeichneten White Galloways auch mehrere Gene beteiligt sind.

Nach einer Hypothese ...

... der kanadischen Wissenschaftlerin Prof. Sheila Schmutz von der Universität Saskatchewan geht die Grundfarbe der White Galloways auf ein Gen mit einer dominanten Variante für Weiß zurück, welche ein „völlig anderes Weiß“ als das Weiß anderer Rinderrassen bedingt (weitere Ausnahme: Albinismus beim Braunvieh).

Diese Hypothese würde zunächst bedeuten, dass es durchaus möglich ist, dass weiß gezeichnete Eltern auch völlig schwarze Nachkommen haben können, nämlich dann, wenn sie beide heterozygot für das „White-Galloway-Weiß“  sind. Nach den Mendelschen Regeln würden also aus solchen Anpaarungen mit einer Wahrscheinlichkeit von 25% schwarze Nachkommen entstehen.

Eine weitere Hypothese ...

... legt nahe, dass die Farbe der Markierungen (Ohren, „Socken“) dem MC1R-Gen für Rot/Schwarz folgt.

Es fehlen noch Hypothesen für das Ausmaß der Markierungen. Hierbei dürfte aber auch eine Umweltwirkung mitspielen, so dass es hier schwieriger werden dürfte, belastbare Hypothesen aufzustellen bzw. auch zu erhärten oder abzulehnen.

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